Gymnastische Übungen gehören regelmäßig zum Programm in der Tagespflege. Foto: Caritas/Peter Esser
"Alle nochmals das rechte Bein hoch. So, ich glaube, das langt für heute", ruft Monika Gottert den rund 15 alten, pflegebedürftigen und zum Teil an Demenz erkrankten Menschen im Stuhlkreis zu. Dann kommt sie zum Thema des Tages, das alle schon mit Spannung erwarten. "Es geht um unser grünes Gold", erklärt sie, und alle wissen direkt, was damit gemeint ist: der Hopfen, dessen Anbau in Spalt eine lange Tradition hat. Die Stimmung der Seniorinnen und Senioren hellt sich auf, denn alle haben früher mit dem grünen Gold zu tun gehabt. "Fürs ‚Hopfen blooden (zupfen)‘ hatten wir als Kinder in der Schule freibekommen", erinnert sich ein alter Mann in der Runde, während Monika Gottert ihm eine mitgebrachte Hopfenpflanze zeigt. Viele blühen regelrecht auf, als sie in einer Dose Hopfenpellets riechen dürfen.
Mit Biografiearbeit und Gedächtnistraining
Ein Morgen in der Caritas-Tagespflege Spalt. Anhand des Themas Hopfen betreibt die Betreuungskraft Monika Gottert Biografiearbeit mit den ihr anvertrauten alten Menschen. Erinnerungsvermögen und ein bisschen Gedächtnistraining sind dafür gefragt. Eine Frau weiß genau zu erklären, wie man "den Hopfen uladd (anbindet)". Eine andere sagt, dass sie auch immer gerne Hopfensprossensalat gegessen habe. Monika Gottert informiert sie, dass dieser heute zum Teil als Delikatesse verkauft wird. Die Caritas-Mitarbeiterin reagiert immer wieder spontan auf Fragen, Kommentare, Wünsche und Bedürfnisse der Seniorinnen und Senioren. Doch letztlich steckt hinter dem, was sie und ihre Kolleginnen tun, ein pflegefachliches Konzept.
Dieses Konzept beinhaltet mehrere Betreuungsinhalte: von der Biografie- und themenorientierten Arbeit über Kompetenztraining - indem sich die Betreuten zum Beispiel teilweise Mahlzeiten selbst zubereiten -, kreative Tätigkeiten wie Malen bis hin zur Förderung motorischer Aktivitäten durch zum Beispiel gymnastische Übungen. Angela Sept, Geschäftsführerin der Caritas-Sozialstation Abenberg-Spalt - zu der die Tagespflege gehört - und die Bereichsleiterin der Tagespflege, Kerstin Selz, ärgert es daher, wenn die Einrichtung mitunter als "Kindergarten für alte Menschen" bezeichnet wird. "Das wird weder unserer Arbeit noch der in einer heutigen Kindertageseinrichtung gerecht", so Kerstin Selz. Sie weist darauf hin, dass die Angehörigen für die Tagespflegebesucherinnen und -besucher stets vor der Aufnahme einen Anamnesebogen ausfüllen, in dem Fähigkeiten und Defizite der Betroffenen genau beschrieben werden. Denn die Tagespflege dient zwar einerseits dazu, die Angehörigen für einen halben oder ganzen Tag zu entlasten, andererseits sollen die Ressourcen der aufgenommenen Seniorinnen und Senioren aber auch bestmöglich gefördert werden. "Es geht nicht um Pflege im klassischen Sinn, sondern um ‚Begleitung‘ von Menschen mit und ohne Demenz und deren Angehörigen in ihrer konkreten Lebenssituation", heißt es im Qualitätsmanagementbuch der Caritas-Sozialstation Abenberg-Spalt.
In der Caritas-Tagespflege sind laut Kerstin Selz 13 Mitarbeitende in Pflege und Betreuung tätig, darunter fünf Pflegefachfrauen, zwei davon sind Gerontopsychiatrische Fachkräfte. Hinzu kommen eine Mitarbeiterin in der Hauswirtschaft, vier Verwaltungskräfte und neun Fahrerinnen und Fahrer, welche die Besucherinnen und Besucher morgens zu Hause abholen und nachmittags wieder nach Hause fahren. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind Teilzeitkräfte.
Die Bereichsleiterin Tagespflege, Kerstin Selz, zeigt Georg Otto Gruber und Lydia Jung eine Hopfenpflanze. Foto: Caritas/Peter Esser
Der derzeit älteste der gut 30 Besucherinnen und Besucher ist der 96-jährige Karl Pfahler, der seit drei Jahren in die Tagespflege kommt. "Er ist altersbedingt körperlich eingeschränkt und schnell erschöpft, aber er ist auch motiviert, so gut es geht, bei allem mitzumachen", erklärt Tagespflege-Leiterin Kerstin Selz. "Mir gefällt es hier sehr gut. Besonders gerne spiele ich mit anderen Mensch ärgere dich nicht", erzählt der 96-Jährige. An drei Tagen in der Woche kümmern sich seine Schwiegertochter, eine Nachbarin sowie Pflegekräfte der Sozialstation um ihn zu Hause. An zwei Tagen, an denen die Schwiegertochter arbeitet, kommt er jeweils ganztags in die Caritas-Tagespflege. "Wenn es diese nicht gäbe, dann müsste ich wohl ins Altenheim gehen", meint Karl Pfahler. So wie es ist, gefällt es ihm aber besser.
Auch die 80-jährige Lydia Jung kommt zweimal in der Woche in die Einrichtung, wenn ihre Tochter arbeitet. Sie gilt als Kreuzworträtsel-Spezialistin. Die religiöse Frau kann aufgrund ihrer eingeschränkten Mobilität von zu Hause aus nicht mehr zum Gottesdienst gehen. Deshalb ist sie froh, ab und zu in Begleitung die direkt neben der Tagespflege liegende Kirche aufsuchen zu können. Außerdem findet sie es gut, dass in der Einrichtung die kirchlichen Feste gefeiert werden und bei den Mahlzeiten gebetet wird. Der 76-jährige Georg Otto Gruber kommt außer mittwochs, wenn er Ergotherapie und Krankengymnastik hat, jeden Tag mit seinem Rollator in die Tagespflege. Er hat ein Sprachproblem, sodass die Betreuungskräfte oft seine Worte für andere klar ausdrücken, mit denen er in Kontakt treten will. Er wohnt bei seiner Schwester und deren Familie. Die Tagespflege sieht er als ideale Ergänzung. "Hier will ich so lange wie möglich bleiben", erklärt Gruber.
Zum Mittagessen ein kleines Spalter Radler
Interessiert riechen an diesem Tag auch Karl Pfahler, Lydia Jung und Georg Otto Gruber an den Hopfenpellets, die Monika Gottert ihnen in der Dose vor die Nase hält. Außerdem freuen sie sich, als diese ihnen noch ein Bild vom "Mühlreisig", dem altbekannten Spalter Hopfenhaus, zeigt. Dann beteiligen sie sich mit allen anderen an einem Gebet für verstorbene Hopfenbauer. Mit dem Lied "Kein schöner Land in dieser Zeit" wird das Vormittagsprogramm beendet. Wer will, bekommt zum anschließenden Mittagessen ein kleines Spalter Radler.
