Haben Krankenpflegevereine noch eine Zukunft? Vor welchen Herausforderungen stehen sie? Mit diesen Fragen haben sich am Freitag im Alten Stadttheater in Eichstätt rund 80 Caritas-Verantwortliche für den Bereich ambulante Pflege auseinandergesetzt. Dabei waren neben den Vorsitzenden der Vereine auch Vorsitzende und Geschäftsführende der Caritas-Sozialstationen, Caritaspfarrer sowie Führungspersonen des Diözesan-Caritasverbandes. "Wir wollen eine solche Veranstaltung nun alle zwei Jahre durchführen und dadurch auch schon so manches Problem im Keim ersticken", kündigte der Caritasratsvorsitzende, Dr. Josef Schmidramsl, der die Veranstaltung moderierte, an. Die Tagungen sollen dem Caritasverband aber auch dazu dienen, seine Wertschätzung gegenüber der Arbeit in den Krankenpflegevereinen zum Ausdruck zu bringen: "Wir brauchen Sie, denn Sie sind das Gesicht der Kirche und Caritas vor Ort", sagte Schmidramsl.
Jüngere Mitglieder gewinnen
Dass die Mitglieder der Krankenpflegevereine auch unmittelbar Teil des Diözesan-Caritasverbandes sind, betonte Caritas-Justiziar Martin Müller. Mit noch rund 21.000 Menschen stellen diese Vereine Müller zufolge den Großteil der Mitglieder des Caritasverbandes. Jean-Pierre Harder, Fachreferent für die Caritas-Sozialstationen, machte allerdings auf das Problem aufmerksam, "dass sie in den vergangenen zehn Jahren jährlich rund 750 Mitglieder verloren haben". Hierzu stellte der Vorsitzende des Fördervereins für häusliche Pflege und Nachbarschaftshilfe St. Anton in Ingolstadt, Stefan Hofbauer, in einem Impulsreferat klar: "Den größten Verlust bereitet der Tod. Wenn man sich die Geburtsdaten der Mitglieder ansieht, wird deutlich: Unsere Vereine sind überaltert." Es müsse darum gehen, so Hofbauer, mehr und vor allem jüngere Mitglieder zu gewinnen. Der falsche Weg sei es aber, den Menschen vorzuwerfen, sie seien zu wenig solidarisch. "Damit verprellen wir sie nur noch mehr. Wir müssen den Menschen ein Angebot machen."
Die meisten Krankenpflegevereine wurden nach dem Ende des ersten Weltkrieges gegründet. Seinerzeit übernahmen Ordensschwestern den Dienst der ambulanten Krankenpflege. Als diese in den Sechziger- und Siebzigerjahren nicht mehr zur Verfügung standen und Sozialstationen gegründet wurden, änderte sich das Selbstverständnis: "Die Krankenpflegevereine hatten sich als Trägervereine für die Sozialstationen praktisch neu erfunden", erläuterte Hofbauer. Seitdem besteht ihre Hauptaufgabe darin, "mit finanziellen Zuwendungen die hohe Qualität der Sozialstationen zu sichern".
So tragen sie unter anderem dazu bei, dass die heutigen Krankenschwestern "ihren Dienst ohne Stoppuhr in der Hand durchführen können. Und das kostet Geld. Meist mehr, als durch die Krankenkassen bezahlt wird. Ein tariflicher Lohn, angereichert durch immer wieder gewährte Prämien, ist gesichert. An dieser Stelle wird der Beitrag der Krankenpflege- und Fördervereine unentbehrlich", so der Ingolstädter Vereinsvorsitzende. Es sei wichtig, dieses Argument immer wieder in Erinnerung zu rufen. Gleichzeitig sei diese Pflegesituation für jüngere Menschen aber auch "noch viel zu weit weg". Junge Familien könnten eventuell gewonnen wer-den, wenn man sie durch die Nachbarschaftshilfe, die viele Vereine auch anbieten, vernetzt. Junge zugezogene Familien bräuchten immer wieder einmal Babysitter. Auch könnten Leihomas und -opas dazu beitragen, ältere und jüngere Menschen miteinander in Verbindung zu bringen.
Stefan Hofbauer, Vorsitzender des Fördervereins für häusliche Pflege und Nachbarschaftshilfe St. Anton in Ingolstadt, rief zur Werbung junger Mitglieder auf. Foto: Peter Esser
Von Erste-Hilfe-Kursen bis zu Generationen-Cafés
Bei der Veranstaltung nannten zahlreiche Beteiligte Beispiele, wie Krankenpflegevereine attraktiver gemacht werden könnten. Der Vorsitzende der Caritas-Sozialstation Gaimersheim, Andreas Rabl, machte auf eine vor kurzem durchgeführte Werbeaktion aufmerksam, welche die Krankenpflegevereine durchführten, die seine Station tragen. Dadurch sei es zu über 300 Neueintritten mit etwa 30 Prozent neuen Mitgliedern aus jungen Familien gekommen. Viele Krankenpflegevereine machen zudem mehrere Angebote, die über die Unterstützung der Sozialstation hin-ausgehen: "zum Beispiel Veranstaltungen mit Themen aus dem Sozial- und Gesundheitsbereich, Kurse für häusliche Pflege, kostenloser Verleih von Pflegehilfsmitteln über die Sozialstation, Besuchsdienste für Mitglieder im Krankenhaus sowie Gottesdienste für verstorbene Mitglieder", so Rabl. Andere nannten weitere Möglichkeiten, die zum Teil bereits in Vereinen durchgeführt wer-den, wie Erste-Hilfe-Kurse, Kinder-Ferienprogramme oder Generationen-Cafés.
Auf eine besorgniserregende Entwicklung, die aber zu einer neuen Aufgabe der Krankenpflege-vereine führen könne, machte der Geschäftsführer der Caritas-Sozialstation Eichstätt, Josef Wintergerst, aufmerksam. Viele ältere Menschen litten zu Hause unter Vereinsamung. Hier könnten die Angehörigen der Vereine zwischenmenschlich viel tun. "Das muss nicht gleich die perfekte Nachbarschaftshilfe sein, aber man kann schauen, ob irgendwer zu Hause ganz alleine ist", so Wintergerst.
Über aktuelle steuerrechtliche Herausforderungen und Probleme für Krankenpflegevereine referierte Rechtsanwalt Franz-Josef Weiß von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Solidaris. Zum Beispiel entsprächen manche veraltete Satzungen von Vereinen nicht mehr den aktuellen Vor-gaben. Eine Arbeitsgruppe im Caritasverband Eichstätt, an der Weiß teilnimmt, habe eine Mustersatzung erstellt, die den Vereinen zur Verfügung gestellt werden könne. Josef Schmidramsl und Caritasdirektor Alfred Frank sagten den Vereinsvorsitzenden zu, dass der Caritasverband sie bei rechtlichen Fragen so gut wie möglich unterstützen werde. Um Detailfragen mit Franz-Josef Weiß klären zu können, bietet der Verband ihnen im Herbst ein gesondertes zweitägiges Seminar an.
Vorbild Vinzenz von Paul
Caritaspräses Alfred Rottler nannte den Verantwortlichen für die Krankenpflegevereine in einem geistlichen Wort den heiligen Vinzenz von Paul (1581-1660) als Vorbild für ihre Arbeit. Dieser habe sein Leben armen und kranken Menschen gewidmet und sei mit der Errichtung von Volksküchen, Waisenhäusern und Lazaretten einer der Begründer der organisierten Caritas gewesen. "Mögen wir in seine Fußstapfen treten im Rahmen unserer Möglichkeiten", so Rottler.
Rund 80 Caritas-Verantwortliche für den Bereich ambulante Pflege nahmen an dem Tag der Krankenpflegevereine teil. Foto: Peter Esser